Walthers Werke wollen Räume eröffnen für die individuelle Vorstellungskraft und den dialogischen Umgang mit Materialien, die aus täglichem Umgang vertraut sind. Er erprobt prozessuale Strukturen und temporäre Produktions- und Handlungsformen wie Falten, Trennen, Kleben, Stapeln, Schneiden oder Auslegen mit als unkünstlerisch geltenden Materialien wie Grundiermasse, Kleister, Packpapier und Filz. Daraus entwickelt er um 1962/63 die Werkgruppe der Stapel-Auslege-Arbeiten. Eines der Hauptwerke dieser frühen Zeit ist 49 Nesselplatten, entstanden aus der Zuschneidung einer Hartfaserplatte. Die Arbeit hat zwei unterschiedliche Werkzustände: der Stapel als Lager und Werkform zugleich sowie die verschiedenen, individuell vom Betrachter zu definierenden Formen der Auslegung auf dem Boden. Die Handlung des Auslegens ist als Bestandteil des Werkes definiert, wodurch das Temporäre, also die Zeit als bildhauerisches Material, in das Werk eingeht. Im Kontext minimalistischer Tendenzen der europäischen Kunst um 1960 stehen Walthers Stapel-Auslege-Arbeiten als radikale Weiterentwicklung neben den seriell weißen Bildobjekten Piero Manzonis, den frühen Rasterarbeiten Hanne Darbovens oder den Objektmontagen Peter Roehrs. Seit einigen Jahren erfährt sein künstlerisches Schaffen zunehmend internationale Anerkennung. Zuletzt 2017: Franz Erhard Walther erhielt den Goldenen Löwen als bester Künstler der Hauptausstellung „Viva Arte Viva“ der 57. Kunstbiennale in Venedig, Italien, wo aktuell zwei seiner Textilobjekte ausgestellt werden (13. Mai – 26. November 2017).