Bernar Venet

Undetermined line, 1989

Nach Bernar Venet bemisst sich die Qualität eines Kunstwerks an zwei Faktoren: dessen Fähigkeit, sich neutral und sachlich im Raum zu behaupten, und dem Verzicht des Künstlers auf eine das Material überformende Subjektivität. Den Anfang von Venets künstlerischer Laufbahn markieren die zwischen 1976 und 1979 entstandenen Zeichnungen von einfachen geometrischen Formen wie dem Kreis, der Geraden, dem Winkel und der Diagonalen. Von diesen Zeichnungen ausgehend, fertigt der Künstler in den achtziger Jahren Skulpturen, welche die Linie – eine nur in der Fläche existierende Determinante – durch raumgreifende Vierkantstäbe ersetzen. Es entstehen monumentale Stahlplastiken wie Undetermined Line, die Venets Vorstellungen von einer »buchstäblichen, ausdrücklichen Arbeitsweise ohne Kunstgriff und Doppelsinn« entsprechen. Da Undetermined Line aus einem einzigen, durchgehenden Metallstab geformt ist und nicht aus aneinander geschweißten Einzelstücken besteht, basiert sie auf einem bewusst anti-skulpturalen Verfahren. Anstatt den Regeln der Addition und Komposition zu folgen, wie es im Bereich der klassischen Skulptur üblich ist, gestaltet Venet das vorhandene Material, ohne weitere Ergänzungen oder Reduktionen vorzunehmen. Für den Künstler selbst vollendet sich sein Werk erst in dem Moment, in dem er seine Skulpturen aus unterschiedlichen Blickwinkeln und unter dem Einfluss differenter Lichteinwirkungen fotografiert und die Plastik neuerlich auf Papier bannt. In einem abschließenden Schritt dienen ihm die Fotografien als Vorlage für weitere Zeichnungen.